[:de]Weihnachtsgrüße aus der Ferne…

Hallo liebe Leser!

Ein weiteres Mal melden wir zwei, Rahel und Clara, uns aus Bolivien, um euch noch einen etwas tieferen Einblick in das Leben an unserer Einsatzstelle in Cochabamba zu geben.

Von Langeweile kann man hier echt nicht sprechen – ständig wird in irgendeinem Stadtteil oder Ort gefeiert. Meistens sind es Schutzpatronen oder andere Heilige, die an mehreren Tagen in Folge durch riesige Straßenfeste geehrt werden. Wir haben bisher drei solcher Feste besucht und dabei vor allem eine große Gemeinsamkeit festgestellt: Es wird getanzt, und zwar nicht zu knapp! Meist wird zur Eröffnung eine „entrada“, ein großer Umzug, veranstaltet, der sich aus verschiedensten Tanzgruppen zusammensetzt und dann stundenlang durch die Straßen zieht.

Da findet man zwischen Tänzern und Tänzerinnen jeden Alters, die mal mit mehr, mal mit weniger viel buntem und glitzerndem Stoff bedeckt sind, manchmal Figuren und Masken, die man so ohne Weiteres auch in Weingarten am Fasnetssonntag hätte antreffen können. Während bei manchen, dem Stepptanz ähnlichen Tänzen die Füße im Vordergrund stehen (zum Beispiel „Salay“ oder „Chacarera“), ist bei anderen voller Körpereinsatz gefragt (siehe „Tinku“, unser persönlicher Favorit).

Tanzen ist hier schon ab dem Kindergartenalter grundsätzlich ein großes Thema und es gibt kaum einen, der nicht zumindest die Grundschritte der wichtigsten Tänze beherrscht. Beispielsweise haben wir Mitte November eine große Schulvorführung besucht, bei der die Kinder aus dem Projekt, und zwar ganz egal ob Kindergartenkinder oder Oberstüfler, einen Beitrag leisteten, darunter eben auch jede Menge traditioneller Tänze (einer davon involvierte auch verschiedenste Haustiere, die für die Dauer der Vorstellung in Käfigen auf den Rücken der Kinder ausharren mussten).

Und – wer hätte es gedacht – natürlich müssen auch wir hin und wieder ran. Erst neulich fand etwa zu Ehren der Maria de Guadalupe, der Schutzpatronin der Kapelle von Piñami Chico, ein Fest statt und die Jugendgruppe Mink’As, die sich größtenteils aus Projektteilnehmern zusammensetzt, hat zu diesem Anlass alle Kinder aus dem „Barrio“ eingeladen, den Tanz der Afro-Bolivianer, die „Saya“, einzustudieren. Wir waren natürlich ganz vorne mit dabei und nach zwei Wochen des täglichen Probens und einem Samstag in Rock und Riemen-Sandälchen waren wir nicht nur um eine große Auswahl an erlernten Tanzschritten, sondern auch um die ein oder andere Blase an den Füßen reicher.

Im Tanzen äußert es sich ganz besonders stark, aber auch sonst ist uns schnell bewusst geworden, dass die Tradition und die Kultur hier einen sehr hohen Stellenwert haben. Die verschiedenen Trachten der indigenen Bevölkerung, die man immer und überall zu sehen bekommt, sind da ein Beispiel, aber es wird auch ganz aktiv dafür gesorgt, dass so etwas wie das Quechua (die Sprache des Volkes der Quechua) , nicht verlorengeht – in der Schule lernt heute fast jedes Kind ein paar Grundlagen, wenn es die nicht sowieso schon von seinen Eltern oder Großeltern gelernt hat oder selbst Mutterprachler ist.

Indigene Tradition und Kultur zieht sich durch alle Bereiche, unter anderem findet sie auch ihren Weg in den ansonsten überwiegend sehr katholischen Glauben der Bevölkerung. Die „Pachamama“, also Mutter Erde, und damit eine der wichtigsten Figuren der Religion der indigenen Völker, ist hier nämlich für alle von großer Bedeutung. An dieser Stelle berichten wir vielleicht kurz vom Allerheiligen-/Allerseelen-Fest, das wir in der „Provinzhauptstadt“ Independencia zugebracht haben:

Im einen Moment lauschten wir da auf dem Friedhof der Predigt, im nächsten geht es dann plötzlich von Grab zu Grab, um jeweils ein paar Vaterunser und Ave Maria zu beten und dafür jedes mal Essen und auch das ein oder andere alkoholische Getränk als Entlohnung abzustauben. Von selbigem Getränk wird dann oft auch ein großzügiger Schluck an die oben erwähnte „Pachamama“ geopfert. Nicht wenige verlassen den Friedhof an diesem Tag trotz allem auf wackligen Beinen.

(Auf den Bildern seht ihr den Friedhof mit den geschmückten und mit Gebäck und Co ausgestatteten Gräbern, an denen man für die Verstorbenen betet. Die Angehörigen sitzen bei den Gräbern, bitten Vorübergehende um ein Gebet und bieten ihnen im Gegenzug etwas vom vorbereiteten Essen und Trinken an.)

Wenn wir schon beim Glauben sind – Weihnachten ist nicht mehr weit!

Das heißt für uns, dass wir uns was unsere Arbeit im Projekt angeht ein bisschen im Ausnahmezustand befinden. Die Kinder haben Schulferien und so verbringen wir die Morgende in Piñami mit Inventur – wir zählen Legosteine, tippen Listen in den PC, putzen, spülen und verräumen. Mittags kommen die Kinder dann zum Ferienprogramm, das sich „Colonia navideña“ nennt. Da wird gebastelt, gespielt und gebacken und für Heilig Abend üben wir auch schon fleißig an einem Krippenspiel und lernen ein paar Weihnachtslieder.

Ein bisschen deutsche Weihnachtskultur haben wir aber auch schon unter die Leute gebracht – nachdem uns aus ´der Heimat ein ganz echter Christstollen geschickt worden war, haben wir diesen prompt an einem Dienstagabend in die Andacht mitgebracht und verteilt, was tatsächlich sehr gut ankam.

Das einzige Problem bei Weihnachtsstimmung sind die hiesigen Temperaturen. So richtig schlau werden wir aus dem Klima immer noch nicht – innerhalb weniger Stunden schwankt man da manchmal zwischen Schweißausbrüchen und unangenehmem Frösteln. Insgesamt wird man die Sonne, die hier dank der Höhenlage mit einer unglaublichen Kraft vom Himmel brennt, aber jedenfalls nie ganz los, denn Cochabamba wird ja nicht umsonst oft „Stadt des ewigen Frühlings“ genannt. Im Moment befinden wir uns in der Regenzeit, aber ansonsten merkt man wohl keinen all zu großen Unterschied zwischen den Jahreszeiten, was zur Folge hat, dass man gar nicht merkt, wie schnell die Zeit vergeht.

Wir können also wirklich nicht so richtig fassen, dass Weihnachten jetzt tatsächlich schon vor der Tür steht, fühlt es sich denn an, als seien wir gerade erst ins Flugzeug gestiegen. Auf jeden Fall aber senden wir euch aus unserer Freiwilligen-WG und auch im Namen der Partnergemeinde Cruz Gloriosa ganz viele liebe weihnachtliche Grüße aus Cochabamba nach Weingarten in die Heimat.[:]