[:de]Irgendwie clever?- Eine Abhandlung über Aufbewahrungbehältnisse, Verpackungs- und Transportvarianten im Plurinationalen Staat Bolivien – Clara Schwab, Dezember 2017

Gliederung

  • Einleitung
  1. Harry Potter und das gelbe Butterdöschen
  2. Plastiktüte – Fluch oder Segen?
  3. Rucksack, Cholita-Style
  4. Stapeln heißt die Devise
  • Fazit

Einleitung

Die Serie „Irgendwie Clever?“, die mit dem heutigen Beitrag startet und sich voraussichtlich über die kommenden Monate ziehen wird, soll einen Einblick geben in einen ganz speziellen Aspekt des bolivianischen Alltags. Außerdem ist sie nicht so ganz ernst gemeint. Viel Spaß!

1.) Harry Potter und das Gelbe Butterdöschen™

Vertrauenswürdige Studien haben erwiesen, dass unspektakuläre Überschriften um 365,63 % interessanter klingen, versieht man sie mit einem „Harry Potter und“. Und siehe da – der Titel „Harry Potter und das Gelbe Butterdöschen™“ wird der Außerordentlichkeit des im Zentrum stehenden Objektes gerechter als es ein anderer je werden könnte.

Das Gelbe Butterdöschen™ – so soll im Laufe der folgenden Argumentation erkenntlich werden – bezieht im plurinationalen Staat Bolivien des Einundzwanzigsten Jahrhunderts eine Position enormer Wichtigkeit und erfreut sich weitreichenden Einflusses, sowohl ökonomischer als auch sozialer Natur

1.1) Charakteristik eines Gelben Butterdöschens™

Das Gelbe Butterdöschen™ als solches ist nicht im Geringsten außergewöhnlich. Genauer gesagt handelt es sich nicht einmal um ein Butterdöschen, sondern vielmehr um die Plastikverpackung einer ganz gewöhnlichen Margarine. Im Normalfall ist seine äußere Erscheinung dominiert durch die sattgelbe Farbe der Dose – dem Herzstück der Konstruktion – ergänzt von einem roten Deckel und einer Etikette mit der Aufschrift „Regia – rica y suavecita“. Von Zeit zu Zeit tritt es aber auch in abweichender Färbung auf, in welchem Fall die Bezeichnung „Gelbes Butterdöschen™“ noch einmal um einiges unangebrachter scheint. Den Charakter eines Gelben Butterdöschens™ repräsentiert es jedoch allemal, von der tatsächlichen Farbgebung einmal ganz abgesehen.

Besagte Charakteristik eines solchen Gelben Butterdöschens™ äußert sich vor allem in dessen Allgegenwärtigkeit und vielfältiger Verwendbarkeit. Nicht selten findet das Döschen seinen Weg vom Ladenregal bis an die unwahrscheinlichsten Orte.

Ein besonders überraschender Anblick bot sich beispielsweise eines Dienstagabends bei der Andacht im Haus der Brüder, wo ein Gelbes Butterdöschen™ ganz offensichtlich den Platz des Tabernakels einnahm – an sich kein Wunder, kann man sich doch kaum einen würdigeren Aufbewahrungsort für den Leib Christi vorstellen.

Auch am Sonntag darauf im großen Gottesdienst in der Kirche von Pinami Chico wurde der Gemeinde die Heilige Speise aus einem Plastikbehältnis der Marke Gelbes Butterdöschen™ präsentiert (in diesem konkreten Fall in einer blau-weißen Variation).

Ansonsten trifft man das betreffende Objekt jedoch zumeist im Zusammenhang mit Lebensmitteln an (ich meine die Lebensmittel, die dich im Gegensatz zur Hostie tatsächlich physisch satt machen, nicht „bloß seelisch“…). Es eignet sich hervorragend zur Aufbewahrung von übriggebliebenem Mittagessen, zum Verschenken von Kochbananen an kranke Freiwillige, als Vesperbox (wenn auch undicht), als Gewürzbox, als Zwiebelbox oder als Bredla-Dos‘ . Auch als Stifte- oder Spitzerbox tritt es hin undwieder in Erscheinung.

Aus Erfahrungswerten lässt sich allerdings schließen, dass es nicht ratsam ist, ein Gelbes Butterdöschen™ nach seiner Nutzung als Zwiebelbox zur Aufbewahrung von Lebensmitteln ganz anderer geschmacklicher Natur zu verwenden (Beispiel: Bredla. Bei Interesse an hausgemachten Kokos-Zwiebel-Makronen, wenden Sie sich gerne an die Redaktion).

1.2) Das abgründige Seelenleben des Urbutterdöschens

Was bis zu diesem Punkt komplett vernachlässigt wurde, ist das Gelbe Butterdöschen™ in seiner Ursprungsform, also in seinem Auftreten noch bevor es zweckentfremdet und in einem der ewigen Wiedergeburt gleichenden Zyklus unsterblich gemacht wird.

Es begibt sich lamentablerweise, dass der ursprüngliche Inhalt eines Gelben Butterdöschens™ – ein kontroverser, meist auf pflanzlicher Basis hergestellter Butterersatz namens Margarine – zumindest was die Marke „Regia“ angeht, einen derart unangenehmen Beigeschmack hat, dass es einiges an Überwindung kostet eine Dose aufzubrauchen. Obwohl die Aussicht auf eine weitere Aufbewahrungsmöglichkeit eine vielversprechende ist, ist das erstmalige Leeren eines Gelben Butterdöschens™ eine langwierige, mit viel Willenskraft und Selbstdisziplin verbundene Angelegenheit.

1.3) Wie weit gehen für ein Gelbes Butterdöschen™?

Natürlich stellt sich daraufhin die Frage, inwiefern es sich denn überhaupt lohnt, für ein einziges Gelbes Butterdöschen™ die beschriebenen Leiden auf sich zu nehmen.

Als Besitzer vieler Butterdöschen weiß man selbstverständlich von den unzähligen Vorteilen und Chancen derselben zu berichten, die teils viel  weitgreifender sind als zunächst erwartet. So spielt das Gelbe Butterdöschen™ beispielsweise eine extrem große Rolle im gesellschaftlichen Zusammenleben. Das Gefühl, bei Feierabend mit einem Gelben Butterdöschen™ voll Essen von der Arbeit entlassen zu werden, ist ein unschlagbares und fordert einen nur dazu heraus die liebevolle Geste in naher Zukunft zu erwidern, sei es nun in Form eines ähnlichen Döschens oder anderer Freundlichkeiten. Butterdöschen verbinden.

Gefüllte Butterdöschen laden zudem mehr als alles andere zum Teilen ein. Sie sind auf ihre Weise das stärkste vorstellbare Symbol für Nächstenliebe und friedliches Zusammenleben.

Und zu guter Letzt darf auch der ökonomische Aspekt der Butterdöschen-Bewegung nicht unerwähnt bleiben. Gelbe Butterdöschen™ sparen ihren Besitzern auf der einen Seite eine Menge Geld, das sie anderweitig für Tupperware oder sonstige, in den Augen vieler Butterdöschenanhänger völlig überbewertete Luxusaufbewahrungsbehältnisse hätten ausgeben müssen. Andererseits erhält die Begeisterung für die Dose ein wichtiges Wirtschaftsstandbein am Leben, das sonst längst zusammengebrochen wäre (ich erinnere noch einmal an den äußerst unangenehmen Beigeschmack der Margarine).

Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass Gelbe Butterdöschen™ ihren Kultstatus vollkommen zu Recht innehalten, wenn auch ihre Beschaffung mit Unannehmlichkeiten verbunden ist, die nicht zu unterschätzen sind.

Ein möglicher Lösungsansatz wäre, den berüchtigten Ursprungsinhalt der Gelben Butterdöschen™ zum Anbraten oder Backen zu verwenden, statt ihn als puren Brotaufstrich anzusehen. So bleibt der Geschmack weitestgehend unbemerkt und das erwünschte Ziel – ein leeres, einsatzbereites Döschen – wird verhältnismäßig mühelos erreicht. Testläufe dieser Idee, durchgeführt in der Kolping-WG, zeigen bisher durchwegs positive Ergebnisse.[:]