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Eine der Pflichten, die im Rahmen eines weltwärts-Freiwilligendienstes anfallen, ist das regelmäßige Informieren der Entsendeorganisation über die aktuelle Situation – an der Einsatzstelle und persönlich – in Form der Quartalsberichte. Ende März stand der zweite dieser Sorte an, und abgesehen davon, dass mich das nur ein weiteres Mal daran erinnert hat, wie schnell doch die Zeit vergeht, war es auch ein guter Anlass, ein bisschen über das letzte viertel Jahr nachzudenken. Und weil mein Blog nicht mehr so ganz auf dem neuesten Stand ist was die Arbeit im Projekt angeht, dachte ich mir, dass ich die Gelegenheit nutzen sollte indem ich euch einfach einen Blick hineinwerfen lasse:

[:de]Quartalsbericht Número Dos! März/April 2018[:]

Beschreibe Deine gegenwärtige Situation im Freiwilligendienst. Was gibt es aktuell zu berichten?

Nachdem wir Ende Dezember und den ganzen Januar Pause hatten (große Sommerferien für die Kinder und daher kein Betrieb in der Hausaufgabenhilfe – wir haben die Zeit zum Reisen genutzt und waren beim Zwischenseminar!), ging im Februar der Alltag wieder los. An sich gibt es keine großen Veränderungen zum letzten Jahr was unsere Arbeit in Pinami Chico angeht. Wir helfen weiterhin vormitags beim Vorbereiten des Mittagessens und nachmittags mit den Kindern. Ich habe allerdings das Gefühl, dass unsere Beziehung zu den Mitarbeitern mittlerweile besser und entspannter geworden ist und das macht die Arbeit und die Kommunikation um einiges leichter. Am Anfang des Jahres haben wir auch eine Art Vorbesprechung gehalten und so ist jetzt auch die Aufgabenverteilung besser organisiert. Im Umgang mit den Kindern bin ich persönlich auch viel selbstbewusster geworden, was mit Sicherheit auch mit den verbesserten Sprachfähigkeiten zusammenhängt.

In Uspha-Uspha waren wir im Dezember das letzte Mal – nach den Sommerferien haben sie sich da mit den Einschreibungen für das aktuelle Schuljahr etwas Zeit gelassen und wir wurden immer wieder auf die nächste Woche vertröstet. Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass es am Montag für uns gar keine Beschäftigung mehr gibt, da dieses Jahr an keinem der beiden Standorte montags Hausaufgabenbetreuung stattfindet. Der Donnerstag wird wohl wieder ablaufen wie gewohnt, wenn es dann demnächst losgeht.

Bis dahin gehen wir donnerstags einfach alle drei nach Pinami und für den Montagvormittag haben wir uns auch eine Beschäftigung gesucht: Wir geben seit Mitte März Englisch-Nachhilfe bzw. Unterricht für die Kinder im Barrio. Montagvormittag kommen etwa 10 Kinder (die, die nachmittags Unterricht haben) und die anderen – das sind fast 20 – unterrichten wir freitags ab 16 Uhr. Das Projekt haben wir ja erst ganz frisch gestartet und wir müssen uns auch erstmal reinfinden, aber mir persönlich war bei der Sache vor allem wichtig, dass wir die durch das Uspha-Problem verursachten Lücken in unserem Stundenplan mit ein bisschen Eigeninitiative auffüllen und das ist uns ganz gut gelungen, finde ich.

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Abgesehen von der Arbeit habe ich auch ein bisschen an meiner Freizeitgestaltung geschraubt. Auf dem Zwischenseminar bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich mehr Zeit außerhalb der Wohnung/ unserer gewohnten Umgebung verbringen und auch mal was „nur für mich“ tun sollte. Seit einer Weile nehme ich jetzt also einmal wöchentlich Spanischunterricht und ein zwei mal die Woche gehe ich mit Rahel, unserer Vermieterin und ihrer Tochter abends ins Fitnessstudio zum Zumba.

Was fällt Dir schwer? Was motiviert Dich bzw. wer oder was hat Dir bisher aus Krisen („Durststrecken“) herausgeholfen?

Was mir von Zeit zu Zeit immer noch schwer fällt ist das Zusammenleben auf engem Raum, obwohl es auf jeden Fall leichter geworden ist in den letzten Monaten. In den Wochen um das Zwischenseminar herum bin ich außerdem ein bisschen in einem Motivationsloch festgesteckt und die Vorstellung, nach so vielen Wochen im Ausnahmezustand wieder in den geregelten Alltag im Projekt einzusteigen, war einfach schwierig, vor allem, weil auf dem Zwischenseminar alle von neuer Motivation geredet haben, und davon, wie sehr sie ihr Projekt und die Leute vermissen. Ich konnte das in diesen Momenten leider gar nicht nachfühlen. Ich glaube aber auch, dass mich die Zeit um Weihnachten herum und die Reise danach irgendwie ganz schön mitgenommen haben und es im Grunde höchste Zeit war für ein bisschen Normalität.

Mittlerweile ist zum Glück auch alles wieder gut und ich glaube, das dahinter unter anderem die oben beschriebenen Vorsätze vom Zwischenseminar stecken. Ich verbringe weniger Zeit in der Wohnung und habe meine eigenen „Baustellen“ außerhalb der Arbeit.

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Wie hast Du das Zwischenseminar erlebt? Welche neuen Gedanken/Impulse hast Du von dort mitnehmen können?

Wie bereits erwähnt konnte ich einige gute Vorsätze und Tipps mitnehmen, auch wenn ich zum Zeitpunkt des Seminars wirklich nicht in der besten Stimmung war, was die Situation im Projekt und in unserer WG anging. Das Team und vor allem die Gruppe waren da aber wirklich toll und verständnisvoll. Wir hatten einige sehr intensive und wirklich interessante Gruppenarbeitsphasen, in denen zum Beispiel jeder die vergangenen Monate reflektieren und mit der Kleingruppe teilen konnte um dann wiederum Rückmeldung und Hilfestellung zu bekommen. Ich muss wohl einen sehr unglücklichen Eindruck gemacht haben, was ich so gar nicht beabsichtigt hatte. Das Verständnis und das Feedback das ich bekommen habe, hat mir aber sehr gutgetan.

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Wirklich toll war wie gesagt einfach die Gruppe. Jeder hatte da seine eigene spannende Geschichte zu berichten und es war niemand dabei mit dem ich mich in irgendeiner Weise unwohl gefühlt hätte. Manchmal fand ich die Menge an Gleichaltrigen mit jeweils so beeindruckenden Persönlichkeiten und Erfahrungen fast schon überwältigend (im positiven Sinn!).

Wie erlebst Du Politik und Entwicklungspolitik im Einsatz? (Wahlkampagnen, Diskussionen, Demonstrationen, Zeitungs-/TV-Berichte, Aussagen von Menschen im Umfeld…. : Was ist gerade Gesprächsthema?)

Politik ist hier ein wichtiges Thema und meistens drehen sich die Gespräche oder Diskussionen um den Präsidenten Evo Morales, woran dieser alles Schuld ist oder was er tolles für’s Land getan hat, je nach Gesprächspartner. Solche Aussagen kommen von Bolivianern jeden Alters, wobei wir bisher überwiegend die Contra-Evo-Seite kennengelernt haben. Ich finde es ziemlich schwierig mir in dieser Sache eine eigene, differenzierte Meinung zu bilden, weil ich nicht so richtig weiß, inwiefern man der Berichterstattung hier vertrauen kann und wenn einem eine „gute“ Zeitung oder ein Fernsehsender empfohlen wird, steckt da ja auch immer eine persönliche Vorliebe dahinter. Ich könnte wahrscheinlich etwas mehr Zeit in Recherche investieren, aber da mir dazu gerade einfach die Zeit- und Energieresourcen fehlen, gebe ich mich im Moment mit der Rolle des stillen Beobachters zufrieden und überlasse das Diskutieren im Normalfall denen, die das mit Leidenschaft und Überzeugung tun.

Problematisch finde ich, wie sehr den Kindern hier politische oder teilweise auch religiöse Ansichten aufgedrückt werden, zuhause oder in der Schule. Ein Beispiel wäre der allgegenwärtige Slogan „Mar para Bolivia“ – der Traum der Bolivianer, sich den vor Jahrzehnten an Chile verlorenen Meerzugang zurückzuholen. Das ist in letzter Zeit zu einem großen Thema geworden und die Kinder sind da total mit dabei. Letztens am Tisch im Projekt hab ich zum Beispiel beobachtet, wie ein Kind dem anderen im Spaß mit bösem Blick sein Brot aus der Hand gerissen hat mit den Worten, er mache das jetzt wie Chile damals.

Um Demonstrationen oder die klassischen Straßenblockaden kommt man hier sowieso nicht herum und meistens weiß man gar nicht so genau um was es eigentlich geht. Während unserer Reise im Januar kam uns das sehr oft in die Quere. Damals ging es, wenn ich mich recht erinnere, um ein umstrittenes Gesetz, das eingeführt werden sollte, und mit dem zum Beispiel Ärtzte im Todesfall eines Patienten viel schneller als bisher für solche Vorfälle verhaftet werden oder ihre Zulassung verlieren könnten. Das Gesetz wurde aber mittlerweile nochmal überarbeitet, nachdem man irgendwann den Komplettstillstand der ganzen Nation zu befürchten hatte.

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