[:de]Nachtrag vom Ankommens-Seminar, 12.09-14.09.17

Schritt für Schritt wird uns auf dem Seminar nicht nur die Kunst des Salsa-Tanzens, sondern auch die bolivianische Kultur etwas nähergebracht. Insgesamt lassen sie es wirklich langsam angehen. Angefangen schon beim Essen, das noch recht europäisch wirkt, auch wenn es meistens nicht ganz an die Originalversion herankommt (dass die Spaghetti am ersten Abend einen Durchmesser von etwa 0,5cm hatten, habe ich vor lauter Hunger erst spät bemerkt und die Menge an Zucker, die in in der Hackfleischsoße enthalten gewesen sein muss, erscheint mir jetzt im Nachhinein doch fragwürdig). Auch das Frühstück könnte man als „kontinental“ bezeichnen. Nur die Vielfalt und Qualität der Früchte, die da jeden Morgen für uns bereit stehen, weist darauf hin, dass wir jetzt tatsächlich da sind, wo das Zeug herkommt. Es wird übrigens auch zu Saft verarbeitet. Sehr ausgiebiger Saft, wenn man so will, denn an Dickflüssigkeit und Süße ist er kaum zu überbieten. Wenn man sich nach einer von Sprudelflaschen-Halluzinationen geprägten Busfahrt eigentlich einfach nur auf ein Glas kühles Mineralwasser freut, ist das allerdings gar nicht mal so toll.

Wir schlafen in Zweierzimmerchen, die zusammen mit den zugehörigen Badezimmern um einen Hof herum angeordnet sind. So eigenen wir uns gleich mal ein bisschen überlebenswichtiges Grundwissen an, wie beispielsweise die Tatsache, dass benutztes Klopapier hier nicht in die Schüssel, sondern in den Mülleimer daneben gehört, weil die Leitungen sonst verstopfen. Oder dass in Santa Cruz Ventilatoren unentbehrlich sind. Genauso wie Mückenspray. Dass man Wasser nicht aus der Leitung trinken kann und deshalb am besten zu jeder Zeit eine gefüllte Wasserflasche bei sich hat. Dass es Skorpione gibt (Rahel hat es entdeckt, da war es nur eine gefühlte Daumenbreite von meinem großen Zeh entfernt), dass deren Biss aber glücklicherweise nur etwa einem Wespenstich entspricht. Dass sie es hier mit der Pünktlichkeit nicht so genau nehmen. Dass auf Wlan kein Verlass ist. Dass gern gefeiert und vor allem gern getanzt wird. Und dass wir Letzteres über das kommende Jahr zwangsweise lernen werden. Und schließlich, dass wir zu wenig Sommerkleidung eingepackt haben. Santa Cruz ist zwar nochmal ein Sonderfall was die Temperaturen angeht, aber auch in Cochabamba kann es wohl ordentlich warm werden und irgendwie hatten wir diesen Gedanken bisher verdrängt.

Ansonsten lernen wir unsere Koordinatoren kennen, die sehr nett und verständnisvoll sind und zum größten Teil selber schon einige Zeit in Deutschland verbracht haben. So kann man sich ohne große Missverständnisse sprachlicher oder kultureller Natur verständigen. Wir bekommen Tipps zum Verhalten in der Gastfamilie und bei der Arbeit, lernen die wichtigsten Umgangsformen, schreiben mal wieder einen Brief an uns selbst (das macht man irgendwie öfter, wenn man viel auf solchen Seminaren unterwegs ist) und erhalten die wichtigsten Infos von unserer persönlichen Cochabamba-Mentorin. Carmen ist Bolivianerin, für uns und drei weitere Freiwillige zuständig, macht den Job zum ersten Mal und teilt uns gleich mal mit, wir würden dann übrigens gar nicht in Uspha-Uspha, sondern in irgendeinem unbekannten anderen Projekt mitarbeiten. Hat sich später als Fehlinformation herausgestellt. Aber sie ist superlieb und scheint uns wirklich helfen zu wollen und außerdem wird sie uns mit dem Bus nach Cochabamba begleiten, wofür ich wirklich sehr dankbar bin.

Außerdem sind da natürlich noch die Mitfreiwilligen vom BKHW. Viele, viele neue Menschen, vielseitig, beeindruckend und in der Masse fast ein bisschen einschüchternd. Vor allem, weil – wie man es von „uns Freiwilligen“ eben erwartet – es schon auch viele starke Charaktere sind, die da auf einem Haufen landen. Da hat es Spanischmuttersprachler dabei und halbe Latinos, Sprachgenies und politisch Engagierte, Musikprojekt-Freiwillige samt Instrument und sogar eine ganz liebe Dreijährige, die mit ihrer jungen Mama mitreist und immerhin als halbe „voluntaria“ durchgeht.

Ich brauche immer ein paar Tage, um in so einer Gruppe wirklich aufzugehen, und so ist das Seminar leider auch schon wieder vorbei, bevor irgendwas in die Richtung hätte passieren können.

Als nächstes geht es mit dem Bus über Nacht an unser endgültges Ziel – Cochabamba, oder „la llajta querida“. Davon aber später mehr.

Gute Nacht oder Guten Morgen, ich blick auch nicht mehr durch…

Eure Clara[:]